Da steckt der Wurm drin – Eingeweidewürmer heute und damals

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Ein Beitrag von Simone Kahlow

Parasiten haben viele Gesichter und Parasiten sind ausdauernd. Eingeweidewürmer etwa können den menschlichen Organismus nach einer Infektion über mehrere Jahre belasten. Dabei hat der Mensch zuweilen monatelang keine Ahnung davon, dass er als Wirt oder Zwischenwirt von Würmern befallen ist. Das ist heute so und war in der Vergangenheit nicht anders. Doch woher wissen wir das? Können Archäologen Wurmbefall überhaupt nachweisen, wenn der Betroffen schon Jahrhunderte tot ist? Und wenn ja, wie?  Dieser Beitrag bringt ein wenig Licht ins Dunkel!

Wurm mit Helm – ein gar nicht so nettes Wortspiel

Der wissenschaftliche Begriff für Würmer kommt aus dem Griechischen und lautet Helminthen – ein Wort das ich mir nur merken kann, weil ich mir vorstelle, dass der Kopf eines Wurms wie behelmt aussieht.  So lustig jedoch diese Vorstellung auch sein mag, Würmer,  insbesondere Eingeweidewürmer, sind gefährlich für die Gesundheit und gleichzeit Zeichen schlechter hygienischer Zustände. Die WHO (World Health Organization) stellte in ihrem letzten aktuellen Beitrag über Wurminfektionen im Januar 2017 fest, dass ca. 1,5 Milliarden Menschen von Würmern befallen sind.[1] Das sind 24 % der Weltbevölkerung! Übertragen werden diese Würmer durch menschliche Ausscheidungen, die sich beispielsweise an Händen, gedüngter Nahrung oder im Wasser befinden können. Am häufigsten sind Menschen in tropischen und subtropischen Regionen betroffen, vor allem in Afrika, Amerika und Ost-Asien. Insbesondere für Kinder, alte und immunschwache Menschen können Würmer lebensgefährlich werden. Je nach Befall leiden die Betroffenen unter Durchfall, Bauchschmerzen, Blutarmut. Sie fühlen sich schwach und krank und sind in ihrem Wachstum sowie ihrer körperlichen Entwicklung eingeschränkt.

Archäologie trifft auf Parasitologie: Latrinen

Wurmbefall ist kein auf die Gegenwart beschränktes Thema. Stattdessen können Würmer in archäologisch untersuchten Latrinen und Kloaken mit Hilfe der Paläoparasitologie nachgewiesen werden. Das feuchte Milieu der Abfallgruben wirkt sich positiv auf den Erhalt organischer Substanzen aus. Zu den ersten archäoparasitologischen Arbeiten zählen die Publikationen des Göttinger Anthropologen Bernd Hermann über Wurmeier aus mittelalterlichen Kloaken.[2] Zu den häufigsten Funden gehören Spulwürmer (Ascaris), Hakenwürmer (Ancylostoma), Madenwürmer (Enterobius) und Bandwürmer (Taenia).[3] Herrmann wies darauf hin, dass bei Funden aus Latrinen mitunter nicht unterschieden werden kann, ob die geborgenen Wurmeier von einem Menschen oder einem Tier ausgeschieden wurden.

Archäologie trifft auf Parasitologie: Gräber

Überreste von intestinalen Parasiten können auch in Gräbern nachgewiesen werden. Eine der aufregendsten Entdeckungen von Spulwurmeiern gelang mit der Auffindung der sterblichen Überreste von König Richard III im Jahr 2012. Er hatte England von 1483-85 regiert und war in der Schlacht von Bosworth Field nahe Leicester ums Leben gekommen.[4]

Skelett von Richard III und mirkoskopische Darstellung eines Spulwurmeis
Das Skelett von König Richard III in Leichester. Das S kennzeichnet den Bereich der Probenentnahme, das B stellt eine der entnommenen Spulwurmeier mikroskopisch dar (Quelle: Mitchell et al. 2013).

Die Eier stammen aus einer Erdprobe, die sich im ehemaligen Darmbereich des Königs befand.[5]  Aufgrund der bekannten Übertragungswege ist zu vermuten, dass sich  entweder der König selbst oder diejenigen, die das Essen zubereiteten, nicht die Hände wuschen oder das Essen durch Dünger kontaminiert gewesen ist.

Würmer von der Mikro- zur Makroskopie

Skelett mit ballförmiger, verkalkter Zyste im Bauchbereich
Kloster Skriduklaustur, Island. Grab 126 mit kalzifizierte Bandwurmzyste (Foto: Steinunn Kristjánsdóttir).

Leider werden archäologisch freigelegte Gräber oder Latrinen nicht immer mikroskopisch erforscht. Dies hat häufig rein finanzielle Gründe. Doch es gibt einen weiteren Weg, Wurminfektionen im archäologischen Befund nachzuweisen. Sie sind schon mit dem bloßen Auge sichtbar und machen sich bereits während der Ausgrabung als Fremdkörper bemerkbar, da sie definitiv nicht Bestandteil der 206, im menschlichen Körper vorhanden Knochen sind. Demnach handelt es sich um häufig runde bis eiförmige Gebilde aus Kalk. Sie sind Überbleibsel einer sogenannten Echinokokkose, einer Krankheit, die durch den Fuchsbandwurm oder Hundebandwurm übertragen wird und vor allem Lunge und Leber befällt. Mittlerweile gibt es eine größere Anzahl entsprechender archäologischer Nachweise. Die Beobachtungen, die jedoch hierzu in einem Augustinerklosters auf Island gemacht wurden, sind besonders fesselnd.[6] Auf dem ehemaligen Klosterfriedhof von Skriduklaustur wurden insgesamt acht Skelette freigelegt, die kalzifizierte Zysten im Brust- und Bauchbereich aufwiesen. Sie sind eindeutig Überreste von Hund- oder Fuchsbandwurmzysten. Diese Toten waren nicht unbedingt Ordensmitglieder. Stattdessen nahmen diese Einrichtungen, insbesondere die der Augustiner, auch andere Bedürftige auf, wie Pilger, Bettler, Arme und Kranke.  Skriduklaustur fungierte als ein entsprechendes Hospital. Spannend für das vorgestellte Beispiel ist nun, dass auf dem Areal ca. 160 Gräber untersucht wurden. Die angesprochenen acht jedoch befanden sich in unmittelbarer Nähe zueinander. Es scheint daher, dass die Toten aufgrund ihrer Krankheit auf einer ausgesuchten Flächte begraben wurden. Warum dies geschah, welche Überlegungen und Geisteshaltungen dem zugrunde lagen, ist bisher unklar.

Quellen:

[1] http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs366/en/ (20.02.2017).

[2] Herrmann, Bernd: „Parasitologisch-epidemiologische Auswertungen mittelalterlicher Kloaken“. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 13 1985, S. 131–161.

[3] Mehlhorn, Heinz: Die Parasiten des Menschen. Erkrankungen erkennen, bekämpfen und vorbeugen. Springer: Heidelberg [u.a.] 2012.

[4] Mitchell, Piers D. et al.: „The intestinal parasites of King Richrd III“. The Lancet 382, S. 888, retrieved 21.2.2017, from www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(13)61757-2.

[5] Entsprechende Untersuchungen sind ausgesprochen spannend. Ermöglichen sie doch auch Aussagen darüber, was der Tote beispielsweise kurz vor seinem Tod gegessen hat: Berg, Gregory E.: „Last Meals: Recovering Abdominal Contents From Skeletonized Remains“. Journal of Archaeological Science 29 2002, S. 1349–1365.

[6] Kristjánsdóttir, Steinunn/Collins, Cecilia: „Cases of Hydatid Disease in Medieval Iceland“. International Journal of Osteoarchaeology 21(4) 2011, S. 479–486. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/oa.1155/full

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