Die Medizinarchäologie und ich

Audio (4:45 Minuten Gesamtlänge)

Download "Über" (256 Downloads)

Medizin oder Archäologie – das ist hier die Frage

Archäologie – das klingt nach Indiana Jones, nach Abenteuer und Schätzen. Und ja, auch ich wurde von diesem Abenteuergefühl schon früh gepackt. Ich erinnere mich sehr gut. Ich war ungefähr acht Jahre alt, saß vor dem Fernseher und schaute eine Dokumentation, in der Howard Carter gerade in Begriff war, durch ein kleines Loch in die Grabstätte Tutanchamuns zu sehen. „Ich sehe wundervolle Dinge“, sagte er. Und es war klar. Das wollte ich auch. Ich wollte Schätze sehen, Abenteuer erleben. Ich wollte Entdeckerin werden.

Dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los. Ausgrabungen, Skelette, Mumien und deren Krankheitsgeschichten interessierten mich besonders. Kurz vor dem Abitur stellte sich mir somit die Frage: Was studieren? Medizin oder Archäologie?

Ich entschied mich für letzteres und wurde in meiner Begeisterung für historische Medizin sogar noch gefördert. Vier Semester Anthropologie an der Charité Berlin lehrten mich, Alter, Geschlecht und offensichtliche Erkrankungen sowie Verletzungen an Skeletten zu erkennen. Dieses Wissen setzte ich schnell um. In den Semesterferien sammelte ich Erfahrungen durch Ausgrabungen auf Friedhöfen der Urnenfelderzeit, slawischen Bestattungs-
arealen sowie mittelalterlichen und neuzeitlichen Friedhöfen. Verfärbungen im Boden ließen erkennen, wo Bestattungen vorgenommen worden waren. Mit jedem Kellenschlag, jedem Pinselstrich erzählte der Verstorbene mehr von seinem einstigen Leben. Ich bin froh, dass diese Gebeine, die sonst durch Baueingriffe einfach vernichtet worden wären, mithilfe der Archäologie und Anthropologie nicht sang- und klanglos verschwunden sind.

Medizinarchäologie. Gibt’s nicht? Aber klar doch!

Meine im Studium begonnene Spezialisierung baute ich Jahr für Jahr weiter aus. Krankheiten im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit waren Thema meiner Abschlussarbeit. In meiner Doktorarbeit beschäftigte ich mich mit archäologisch untersuchte Fürsorgeeinrichtungen aus der Zeit des 8. bis 19. Jahrhunderts. Das Buch dazu wird übrigens noch im Sommer diesen Jahres im Peter-Lang-Verlag erscheinen. Weitere spannende Publikationen sind bei academia einsehbar.

Spätestens jetzt ist klar, meine wissenschaftliche Leidenschaft gilt der Medizinarchäologie. Aber was genau ist Medizinarchäologie?

Bislang ist die „Medizinarchäologie“ kein festgesetzter Begriff. Ich bezeichne damit eine archäologische Disziplin. Die besondere Betonung entsprechender Disziplinen ist seit den 1990er Jahren nachweisbar, verstärkt jedoch erst seit dem letzten Jahrzehnt. Für mich sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die Historische Archäologie, Neuzeitarchäologie und Sepulkralarchäologie relevant. Medizinarchäologie bezeichnet nach meinem Verständnis alles in den Bereich der Medizin gehörende, das in geschichtliche Epochen datiert und von Archäologen ausgegraben und untersucht werden kann. Dazu gehören Objekte, Gebäude, Überreste von Tieren, Pflanzen, Parasiten und menschliche Gebeine.

Wissenschaft schön und gut, aber warum bloggen?

Bloggen und Social Media-Nutzung, etwa via Twitter und Facebook, bieten Wissenschaftlern eine völlig andere Vernetzung, als dies bisher lediglich durch Printmedien oder persönliche Unterhaltung möglich gewesen ist. Wir profitieren enorm von der schnellen Zugänglichkeit und Verbreitung relevanter Themen sowie der Kontakterleichterung mit bis dato unbekannten Wissenschaftlern und Laien.

Blogs könnten als neues Merkmal wissenschaftlicher Qualitätssicherung verstanden werden, wie dies etwa Rainer Schreg auf seinem Blog „Archaeologik“ dargelegt hat. Was mich an dieser multimedialen Vermittlung jedoch ebenfalls begeistert, ist die Möglichkeit, verschiedene Zielgruppen und Leser zu erreichen. Wissenschaft sollte grundsätzlich für ein breiteres Publikum zugänglich sein. Vor diesem Hintergrund können „Laien“ wertvolle Informationen aus Gegenwart und jüngster Vergangenheit liefern, um wissenschaftliche Arbeiten zu unterstützen. Gleichzeitig haben sie hoffentlich auch ein Interesse an den dargebotenen Themen und Spaß am Mitreden.

All diese Überlegungen nehme ich mit in meinen Blog „Leidenschaf(f)t Medizinarchäologie“, dessen Name so vieldeutig ist. Er bezeichnet nicht nur meine wissenschaftliche Leidenschaft. Der Name steht auch für gesundheitliche Leiden, die zu medizinischen Innovationen führten und sich in der Archäologie letztendlich widerspiegeln.

Merken

Merken